Donnerstag, 2. April 2009

Paradies auf Erden


Gestern habe ich wunderschoene Bananen aus unserem Garten geholt.

Heute morgen dann habe ich leckere Pfannkuchen gemacht und die Bananen darin eingerollt. Hmmmmm! Lecker!

Beste Gruesse aus dem Dschungel

Jan

Mittwoch, 1. April 2009

Vierte Nachricht aus dem Dschungel

Vor zwei Wochen begann die Fastenzeit in Paraguay wie auch in Deutschland. Im Seminar verzichten wir, außer sonntags, auf Fleisch. Aber darüber bin ich nicht traurig.

In Paraguay ist Fleisch erkennbar günstiger als in Deutschland, besonders Rind. Auf dem Land ist Rindfleisch das Grundnahrungsmittel der Kleinbauern und damit des Großteils der Campesinos (“Ländler”). Die “Großstädter” in meinem Viertel leben seit höchstens einer Generation in der Stadt und haben alle noch Verwandte auf dem Land. Don Medina, ein befreundeter Tischler erzählte mir, dass es keine 500m von hier vor 20 Jahren noch zwei große Weingüter mit Ländereien gab. Zu guter Letzt kommen die Seminaristen alle vom Land, weil die Spiritaner dort am aktivsten sind. Es ist ein Teil der paraguaischen Kultur, zwei Mal am Tag – sechs bis sieben Tage die Woche – warm und Fleisch zu essen.

Im letzten Jahr bin ich mit meinem sehr europäischen Vorschlag, doch etwas weniger Fleisch zu essen, sowohl bei den Seminaristen, als auch bei Immanuel – Priester aus Nigeria - auf Unverständnis gestoßen. Meine Argumente waren: Fleisch sei teuer und in Mengen gar nicht so gesund. Ihre einheitliche Antwort: Fleisch sei gar nicht so teuer und auf Fleisch würde man verzichten wenn man krank sei oder eine Diät halten müsse. Essen ohne Fleisch habe zu wenig Geschmack. “Andere Länder, andere Sitten”. Das sagt sich einfach, es aber auch zu akzeptieren und zu verstehen dauert eine Weile. So oder so bin ich über die “Probezeit als Vegetarier” eher froh als traurig.

In der letzten Rundmail habe ich von der Geburtstagsfeier des nigerianischen Priesters Immanuel berichtet. Diese war nicht ganz typisch. Ebenso wenig wie meine eigene: An meinem Geburtstag (im November) haben mich die Seminaristen mit einem Silvesterkracher, den sie vor meinem Fenster zündeten, geweckt. Aber nur um mich mit einem Ständchen abzufangen, als ich einen Moment später erschrocken und noch immer im Pyjama aus meinem Zimmer gestürzt kam. Danach haben wir Gebäck gefrühstückt. Zum Abendessen habe ich zum ersten Mal den typisch deutschen Schweinbraten zubereitet, der auch an Immanuels Geburtstag zum
Einsatz kam – zu meinem Geburtstag gab’s dazu typisch deutsches Sauerkraut und zwei Flaschen echtes Erdinger Weißbier. Beides habe ich in einem großen Supermarkt gefunden. Das deutsche Mahl haben wir ganz gemütlich und in kleiner Runde: der Priester, die Seminaristen und ich, verspeist.

Die erste paraguayische Geburtstagfeier, die ich erlebt habe, war die von Raquel. Sie wurde 32. Die Feier begann am späten Nachmittag mit einem traditionellen Assado im Hof vor Raquels Haus.

Assado bedeutet Grillen. Nur wird das Assado etwas ursprünglicher zubereitet als man es von der deutschen Grillkultur gewohnt ist. Anstatt eines vom Metzger gewürzten Koteletts oder Steaks bekommt man einen kräftig gesalzenen und kross gebratenen Berg Rinderrippe auf den Teller. Dazu wird etwas Salat, Maniok und Sopa Paraguaya (etwa: Maisauflauf) serviert.

Nach dem Essen haben wir ausgiebig getanzt und gegen Mitternacht wurde der Nachtisch serviert: eine klebrig süße Sahnetorte. Auf der Torte brannten zwei Kerzen in Form einer 5 und einer 8. Und während ich mich noch wunderte, ob Raquel denn wirklich schon so alt sei, beugte Raquel sich vor, um die Kerzen auszupusten, als jemand ihr just in diesem Moment einen Stoß versetzte und sie dezent mit dem Gesicht in die Sahne titschte, zum Glück neben den Kerzen.

Ich war erschrocken, geradezu peinlich betroffen und rechnete mit einer für alle Anwesenden unangenehmen Unterbrechung der bis dahin schönen Feier. Doch zu meiner Überraschung und Erleichterung geschah nichts dergleichen. Die Gastgeberin wischte sich die Sahne lachend mit einer Serviette aus Gesicht und Haar, pustete die Kerzen aus und zerschnitt die Torte. Danach tanzten wir alle fröhlich weiter.
Auf mehreren anderen Geburtstagen sah ich “den Stoß” wieder und ich habe ihn inzwischen als Kultur akzeptiert und kann herzhaft mitlachen.

Eine weitere paraguaische Besonderheit ist das Guarani. Diese Sprache hat sich aus den indigenen Ursprachen der Guarani-Tupi Familie entwickelt und ist in Paraguay zweite Amtssprache. Obwohl insgesamt nur wenige Schriftstücke in Guarani verfasst sind und hauptsächlich Intellektuelle in Guarani lesen und schreiben können, ist diese Sprache besonders auf dem Land weit verbreitet. Während in unserem Viertel hauptsächlich Spanisch gesprochen wird und es auch einige gibt, die kaum Guarani können, wird es auf dem Markt überall gesprochen. Das stellt mich immer wieder vor Probleme. Inzwischen kann ich zwar die Begrüßungs- und Verabschiedungsformeln, aber viele Kleinigkeiten, Gespräche und Neckereien zwischen den Kindern entgehen mir.

So vergehen meine Tage in der Hitze des paraguaischen Sommers. Und ich lerneimmer wieder Neues kennen in dieser großen Stadt.

Beste Grüße aus dem Dschungel

Jan

Montag, 30. März 2009

Dritte Nachricht aus dem Dschungel

Seit zwei Monaten sind hier, in Paraguay Sommerferien. Obwohl das Treiben auf dem Markt weitergeht, ist im Haus der Spiritaner nicht mehr viel los. Die vier im Haus wohnenden Seminaristen und Philosophiestudenten, sind nach Hause zu ihren Familien gefahren. Die Gruppe Gotas de Amor („Tropfen der Liebe“), die das Essen für die Kinder auf dem Markt organisiert, hat eine Sommerpause eingelegt.

Es gibt in Guarani, der indigenen “Ursprache” Paraguays den Ausdruck “kaigue”. Dieser bedeutet: sich “fix und fertig” fühlen und keine Lust zu gar nichts haben, ist aber von Müdigkeit klar zu unterscheiden. Den Begriff konnte ich als Europäer nicht zuordnen und war versucht die Aussage “che kaigue” (Ich “kaigue”) als “Ich bin faul” einzuordnen. Inzwischen kann ich den Begriff "kaigue" besser verstehen. Nur ob ich darüber froh sein soll, weiß ich noch nicht. Denn die paraguayische Sommerhitze sorgt dafür, dass auch ich mich “kaigue” fühle. In meiner Schule gab es Hitzefrei, wenn die Temperatur um 10 Uhr morgens über 25 Grad lag, soweit ich mich entsinne. In Paraguay gibt es einen frischen Sommertag, wenn die Temperatur um 5 Uhr, vor Sonnenaufgang, unter 26 Grad liegt.
Die Lösung: Siesta halten, Terere trinken und sich “kaigue” fühlen.

Terere ist die Sommervariante von Mate, dem paraguaischen Nationalgetränk (siehe Rundbrief Nr. 2). Der Grundstoff ist der selbe: Yerba Mate. Man trinkt auch hier mit einem Strohhalm aus einem Becher und giest aus einer Thermoskanne immer wieder Wasser in den Becher, der ziemlich voll mit Yerba ist. Der Unterschied: Für Terere ist das Wasser möglichst kalt. Die Thermoskannen sind aus Plastik, viel größer und in ihrem Inneren bollern Eisbrocken. Außerdem werden dem Terere oft noch Kräutermischungen beigesetzt, um ihn erfrischender zu machen. Wenn möglich kauft man die Kräuter frisch bei einer Händlerin irgendwo an der Straße. Damit sich die Aromen besser entfalten, wird die Mischung von der „Kräuterhexe“ auch sofort
tereregerecht zerstampft.

Die Sommerferien habe ich zum Reisen genutzt. Ich habe Claudia und Anja, zwei MaZlerinnen, in Tupiza, Bolivien besucht und habe in Porto Alegre, Brasilien an einem Zwischenseminar teilgenommen. Das Reisen, besonders in die Anden, war eine völlig neue Erfahrung. Es gibt in Südamerika wenige Eisenbahnstrecken und weil Autofahren und Fliegen teuer und deshalb für sehr viele Menschen unerschwinglich ist, bewegt man sich hauptsächlich mit dem Bus.

In den meisten Ländern gibt es ein vorzüglich ausgebautes Fernbusnetz. Ich bin für ca. 40 Euro in nur 34 Stunden (reine Fahrzeit) nach Bolivien gelangt. Auf dem Weg gab es in einigen Bussen warme Mahlzeiten, in vielen wurden Filme gezeigt und in fast allen waren die Sitze so gemütlich, dass ich die meiste Zeit geschlafen habe. Nur in den luftigen Höhen der bolivianischen Anden wurde die Fahrt unbequemer. Man fährt stundenlang über unbefestigte Kiespisten, die manchmal sehr nah an schwindeleregende Abgründe heranführen und alles ohne Leitplanke.

In Tupiza durfte ich den Alltag in der Einsatzstelle meiner Gastgeberinnen, einem Kinderheim, kennen lernen und in einigen Ausflügen die wunderschöne Andenlandschaft bewundern. Dabei habe ich mehr oder weniger schmerzhaft feststellen müssen, dass besonders die Nächte auf über 3000 Metern Höhe kühler sind und die Luft weniger dicht als im sonnigen, flachen Paraguay.

Auch Weihnachten habe ich im Kinderheim in Tupiza verbracht. Es war ein schönes und interessantes Weihnachtsfest. Aber sommerliche Temperaturen und die ganz anderen Bräuche machten es mir zum Glück schwer, in besinnliche Stimmung zu geraten und an die Familie und Weihnachten in Deutschland zu denken.
In Bolivien werden an Weihnachten traditionelle Volkstänze aufgeführt, z.B. das Trenzen. Dabei tanzen Jungen und Mädchen mit bunten Bändern in der Hand um einen Holzstamm herum. Die Bänder sind oben am Holzstamm festgemacht, so dass er aussieht wie ein bunter Maibaum. Durch verschiedene Tanzschritte weben die Tänzer bunte Muster um den Baum.
Die Kinder des Kinderheimes nehmen jedes Jahr zu Weihnachten an einem Krippenwettbewerb teil und haben ihn dieses Jahr mit einer riesigen Krippe, mit “trenzenden” Barbiepuppen, Bergen, Fluss und Brücke das zweite Mal gewonnen.

Der heilige Abend begann mit einem Krippenspiel, darauf folgte die Bescherung und dann sind wir zur Messe gegangen. Die Messe war schön, aber “Stille Nacht” wurde von einer Band mit Schlagzeug gespielt und auch sonst empfand ich die Messe als nicht ganz so weihnachtlich, wie die nur von Kerzen erhellte Kirche in unserer Gemeinde, St Johnnes Baptist in Lübbecke.
Am ersten Weihnachtsfeiertag haben die Kinder vor der Krippe getanzt, zum Mittag gab es ein Festessen und sonst ruhte man sich aus.

Zu Silvester war ich wieder in Paraguay. Immanuel, der nigerianische Priester, hat am ersten Januar Geburtstag und eine große Feier geplant. In seiner Heimat feiert man Geburtstage nicht und deswegen wollte es Immanuel auf seiner ersten Geburtstagsfeier richtig “krachen lassen”. Am Silvesterabend haben wir gemeinsam mit den Spiritanern aus dem Noviziat, einem anderen Haus, das ungefähr eine Stunde entfernt liegt, im Garten gegessen. Dazu habe ich einen "deutschen” Schweinebraten vorbereitet. Als wir uns gemeinsam das Feuerwerk unserer reichen Nachbarn – sie besitzen einen Supermarkt – anschauten, meinte einer: “Schaut wie
das Geld verbrennt.” Und es ist wahr, besonders hier, wo man mit dem Geld für eine Rakete “wer-weiss-was” machen könnte. Nach Null Uhr kamen die Geburtstagsgäste und wir haben bis drei Uhr morgens geredet, getanzt, gelacht und kalten Apfelsekt getrunken.

Die verbleibende Zeit meiner Sommerferien verbringe ich mit Immanuel, dem Priester im Seminar oder Spaziergängen über den Markt. Ich halte mit ihm den Garten in Ordnung, spiele Schach, verzehre die Reste der Silvesterfeier und genieße dazu immer mal wieder ein Bier.

Bei meinen Rundgängen auf dem Markt treffe ich regelmäßig auf Bekannte und ich entdecke viele Details, die mir bei der Arbeit mit den Kindern bisher entgangen sind. Es gibt Imbissbuden und kleine Suppenküchen, in denen man für wenig Geld eine warme Mahlzeit bekommt. Frauen laufen mit einem Krug und Plastikbechern über den Markt und bieten frischen Fruchtsaft an. Man sieht die Händler, wie sie zwischen ihrem Gemüse sitzen und eine einfache Reisbrühe essen. Um die Ecke betreibt ein Mann eine öffentliche Toilette. Die Siesta halten viele Händler auf einer Matratze im hinteren Teil ihres Lagers. Wenn ein LKW voller Orangen morgens um vier ankommt, macht der Fahrer es sich nach dem Abladen einfach auf der Ladefläche „gemütlich“. So oder ähnlich übernachten viele auf dem Markt. Vor kurzem habe ich einen
Händler entdeckt, der seinem Kollegen zwischen Maniokhaufen (stärkehaltige Wurzel, wird ähnlich wie Kartoffeln gegessen) vor seinem Lager die Haare schnitt. Der Markt ist eine Welt für sich, erzählte mir Don Theodor, Händler und Küster der Marktkapelle einmal.

Der Sommer wird bald vom Herbst abgelöst. Es erschreckt mich, dass ich bereits die Hälfte meiner MaZ-Zeit abgeleistet habe, in dieser für mich noch immer kleinen Welt in der großen Stadt.

Beste Grüsse aus dem Dschungel

Jan

Sonntag, 28. Dezember 2008

Neue Nachricht aus dem Dschungel

Die kalten Tage sind vorbei. Der Winter hat sich verabschiedet, es regnet jetzt häufiger und die Tage werden länger und wärmer. Dem Sommer sehe ich teils gespannt, teils mit Schrecken entgegen. Es soll sehr, sehr warm werden. Sogar Immanuel, unser Priester aus Nigeria, erzählt mit Grauen von der paraguayschen Hitze, der hohen Luftfeuchtigkeit und den Unmengen von Moskitos.

Der Winter war für mich äußerst angenehm: Es regnete einmal die Woche (oder weniger), die Temperaturen lagen meist um 20 °C und in Deutschland hätte man an vielen Tagen von ausgezeichnetem Grillwetter gesprochen. Nur manchmal – besonders an Regentagen und dann gegen Abend – wurde es tatsächlich kühl: Temperaturen bis 7Grad und ein unangenehmer Wind. Da die Häuser hier zwar alle Ventilatoren, aber weder Heizungen haben, noch besonders isoliert sind, muss man sich an solchen Tagen warm einpacken – auch drinnen. So saßen wir schon den einen oder anderen Abend wie Skifahrer verkleidet, in dicke Daunenjacken, Mäntel, Schals und Mützen gehüllt, erst am Abendbrottisch und dann vorm Fernseher, haben die Nachrichten verfolgt und den heißen Mate(-Tee) getrunken.

Übrigens eine paraguayische Spezialität und wichtiges Kulturgut: Mate trinken. Mate ist ein Aufguss aus heißem Wasser und getrockneten Blättern eines südamerikanischen Ilexbaumes (dem Ilex paraguariensis). Die getrockneten Blätter werden “yerba mate” (zu Deutsch: Mate Kraut) oder einfach nur “yerba” genannt. Man trinkt den Aufguss durch einen Metallstrohhalm (“Bombilla”) aus einem Gefäß aus Holz oder Tierhorn (“Guampa”). Anscheinend trinken alle Paraguayaner, unabhängig von ihrer Bildungs- und Einkommensschicht, Mate: Busfahrer und Nachrichtensprecher haben ihren Mate und eine Thermoskanne mit heißem Wasser vor sich stehen. Der neue Staatspräsident Fernando Lugo trinkt seinen Mate in Besprechungen und auf offiziellen Empfängen und auch diejenigen, die all ihr Hab und Gut in Plastikbeuteln mit sich tragen, besitzen meistens eine alte Thermoskanne sowie Guampa und Bombilla.

Seit ein paar Wochen übernehme ich immer wieder Einkäufe für das Seminar. Mit unserem knallroten Lastenfahrrad (Gepäckträger vorne und hinten) fahre ich auf den Mercado Abasto, um die notwendigen Besorgungen zu erledigen und mittwochs nach der Messe die Obst- und Gemüsekisten zu transportieren. Denn jeden Mittwochmorgen ist Messe in der Kapelle auf dem Markt und die Händler geben, anstatt Geld in den Klingelbeutel, oftmals Naturalien. Hier in Paraguay wird mit der Kollekte der Priester bezahlt und die Kirche (bzw. Kapelle) instand gehalten.

Wenn ich mit dem Fahrrad über den Marktplatz fahre, rufen mir die Kinder immer „Quadros Ojos“ (Vier Augen) oder „Harry Potter“ hinterher. Es gibt hier nur wenige Brillenträger und außer mir haben nur wenige zwei „Ojos“ (Augen) und zwei „Anteojos“ (Brille, bzw. wörtlich: Voraugen). Wir begrüßen uns, indem wir erst mit der Hand „einschlagen“ und danach Faust gegen Faust boxen, das ist unter der „Marktjugend“ so üblich. Wenn die Kinder und ich Zeit haben, drehen sie mit dem roten Fahrrad einige Runden über den Markt. Es passen
maximal zwei „halbe Portionen“ zusätzlich aufs Fahrrad und beim Aufsteigen gibt es hin und wieder ein wenig Gerangel um die Plätze. Die „Warteschlange“ ist eine gute Möglichkeit sich mit den Kindern zu unterhalten.

Dort habe ich auch Oskar und seiner kleinen Schwester Ada kennen gelernt. Wie viele andere verkaufen sie Linsen, die ihre Mutter vom Großhändler auf dem Markt kauft und in handliche Plastiksäckchen verpackt, an Kunden, die im Auto über den Markt
fahren und sich ihre Einkäufe durchs Fenster reichen lassen (fast wie bei McDrive).

Oskar ist ungefähr 17, mit Ada – 11 Jahre – und seiner Mutter kommt er jeden Tag von ca. 8 bis 8, morgens bis abends auf den Markt. Er ist etwas kleiner als ich (1,70 m), eher breitschultrig und kräftig und trägt schon einen Bart. Sein Gesicht ist rundlich und freundlich und er macht den Eindruck, dass er für seine Schwester, die ihm nur selten von der Seite weicht, alles tun würde.
Ada lädt mich auf eine Orange ein, die sie von einem Händler als Dankeschön bekommen hat, nachdem sie ihm beim Verladen einiger Kisten geholfen hat. Danach macht sie sich abwechselnd mit dem kleinen Pedro, er verkauft noch nichts, aber seine Mutter nimmt ihn mit auf dem Markt, einen Spaß daraus, meine klebrigen Finger so fest wie möglich zusammenzudrücken und ihnen dann dabei zuzusehen, wie sie sich langsam wieder voneinander lösen. Wir reden ein wenig über unsere Familien. Wo ihr Vater ist, weiss Ada nicht. Dann fragt sie mich, ob ich Angst vor meiner Mutter hätte. Etwas verwirrt über die ungewöhnliche Frage, antworte ich mit nein, frage zurück und auch warum. Sie schreie oft und schlage sie auch manchmal, erzählt mir Ada.

Dann setzt sich Oskar in der „Warteschlange“ durch. Er will seine Schwester auf ihren Wunsch hin eine Runde spazieren fahren. Das respektieren die anderen Kinder sofort, denn Oskar ist mindestens 4 Jahre älter als sie. Aber als er dann sitzt tut er sich schwer, das Fahrrad mit seiner Schwester ins Rollen zu bringen. Einen Moment lang scheint er unsicher, dann „überredet“ er einen anderen Jungen dazu, ihm einen Schubs zu geben. Man sieht, dass er in seinem Leben noch nicht oft Fahrrad gefahren ist. Als die beiden nach einigen Minuten von ihrer Sparzierfahrt zurückkommen, winkt ihnen ein Junge aufgeregt zu. Ihre Mutter sucht nach ihnen. Sie

verabschieden sich rasch und verschwinden im Treiben des Marktes.

Einen anderen Tag habe ich auf dem Markt eine Kiste Tomaten, einen Sack Zwiebeln und einen 5 Liter Kanister Bodenputzmittel gekauft. Das alles natürlich auf den roten Flitzer, die Tomaten vorne, die Zwiebeln hinten und das “Lavandina” (Waschmittel) im Rucksack, auf den Weg zum Seminar. Auf halber Strecke merke ich, dass mir irgendwas auf die Waden tropft. Als ich anhalte, um nachzuschauen, entdeckte ich, dass im Rucksack der Putzmittel-Kanister leckt. Also habe ich ihn in die Hand genommen.

Aber es war schon zu spät. Denn während ich mich wieder auf den Weg machte, merkte ich, wie eine Stelle am Übergang zwischen Rücken und Po anfing zu scheuern und zu brennen: Im Rucksack stand das Lavandina und mein T-Shirt und meine Hose waren auf der Rückseite damit getränkt.
Es brannte immer heftiger und zu Hause angekommen, tat besagte Stelle bereits ganz schön weh. Als ich schließlich mit dem schwer beladenen Fahrrad und mit schmerzverzerrtem Gesicht zur Tür hereinkam entdeckten mich Immanuel, der Priester, und Loli, unsere Köchin. Auf ihre Frage, was los sei, antwortete ich, während ich hastig die Sachen abstellte, in kurz angebundenem Englisch: “The tap of the Lavandina lacks. My ass burns like hell!” (“Der Deckel vom Lavandina ist undicht. Mein Hintern brennt sehr doll!”). Dabei zeigte ich auf die Stelle am unteren Rückenende. Auf meinem Weg zur Dusche hörte ich, wie Immanuel unter lautem Lachen versuchte, Loli zu erklären, was los sei.

Die Dusche half: Das schlimmste Brennen verging. Doch meinen Hintern zierte ein roter Fleck, der sich später wie ein Sonnenbrand gepellt hat. Außerdem hat zwischen Hose und Unterhose ein reger Farbaustausch stattgefunden, der auch mit viel Waschpulver und gutem Willen
nicht mehr rückgängig zu machen war. Die Hose ziert also ein schwer zu übersehender Fleck, während die Unterhose seltsam bleich wirkt.

So vergehen meine Tage wie im Fluge und ich bereite mich auf meine ersten „Sommer“-Weihnachten in dieser für mich noch kleinen Welt in der großen Stadt vor.
Ein gesegnetes Weihnachtsfest aus dem Dschungel wünscht
Jan

Freitag, 10. Oktober 2008

Erste Nachricht aus dem Dschungel

Weder das Klima, noch das Essen Paraguays haben mich in den zurückliegenden vier Wochen zur Umkehr bewegen können. Ganz im Gegenteil bin ich fest entschlossen hier zu bleiben, unter anderem weil Loli, unsere ausgezeichnete Köchin, mit ihren Gerichten jeden Gedanken an Heimweh im Keim erstickt. Auch komme ich langsam, aber immer sicherer mit der spanischen Sprache und der landestypischen Aussprache zurecht.

Ich wohne zusammen mit vier Studenten und einem Pater aus Nigeria im Seminar der Spiritaner in Fernando de la Mora1. Drei der Studenten sind Seminaristen, also “Spiritaner in Ausbildung”, der vierte ist Spiritaner-Bruder. Pater Emmanuel aus Nigeria, der auch erst seit einem Jahr hier ist, leitet das Seminar. Das Grundstück, ein relativ großes, ummauertes Gelände, umfasst drei Bungalows, ein kleines Basketballfeld und einen mehr oder weniger kultivierten Garten.

Das Wetter ist sonniger als in Deutschland. Meistens ist der Himmel strahlend blau oder nur mit einigen weißen Wolken durchsetzt. Es regnet sehr selten, und wenn, dann nur einen Tag oder sogar nur einen halben. Deswegen muss im Garten auch der Rasen regelmäßig gegossen werden, sonst geht er schnell ein und es kommt die sandig, rote Erde zum Vorschein.
Die Stadt Fernando de la Mora ist vollkommen mit dem eineinhalb Millionen Hauptstadtdschungel Asuncions verwachsen. Es gibt immer und überall Leben: Menschen sind unterwegs, es wird ge- und verkauft, gearbeitet, Pause gemacht und zur Schule gegangen. Auch nachts wird es nie so richtig still.

Am lautesten sind die Busse, das Fortbewegungsmittel Nummer Eins. Sie werden meistens von Privatunternehmen betrieben, sind alt und qualmen. Einige Busse tragen nicht einmal Liniennummern und welche Route sie fahren erkennt nur der Eingeweihte an der Busfarbe. Sich durch diesen Jungle zu schlagen ist oft genauso kompliziert und abenteuerlich, wie sich an Lianen von Baum zu Baum zu schwingen.

Vor kurzem musste ich beim Umsteigen eine Seitenstraße passieren. Dort fragte mich eine Frau an der Straße nach der Uhrzeit. Nichts Böses ahnend, zeigte ich ihr meine Uhr. Sie blickte kurz darauf, um dann meine Hand zu ergreifen, mir tief in die Augen zu blicken und mir sehr offensiv ihre “Liebesdienste” anzubieten. Leider hatte ich keine Zeit und musste das Angebot ausschlagen. Ich erklärte ihr also höflich, dass ich meinen Bus erreichen müsse und nicht interessiert sei. Davon ließ sie sich aber keineswegs irritieren, hielt meine Hand weiter fest und versuchte, mich zu überzeugen zu bleiben, auch wenn es nur kurz sei. Da sie sich von meinen Argumenten derart unbeeindruckt zeigte, wusste ich keinen anderen Ausweg, als mich einfach zu verabschieden, meine Hand sehr bestimmt ihrem Griff zu entziehen und geschwind meiner Wege zu gehen.

Das Leben im Seminar ist eher ruhig und geregelt. Man sieht sich hauptsächlich zu den Gebets- und Mahlzeiten. Abends wird entweder gemeinsam etwas unternommen oder die Seminaristen führen, als Teil ihrer “Ausbildung”, Gespräche mit dem Pater. Während tagsüber jeder seiner Beschäftigung nachgeht. Für die Anderen bedeutet das hauptsächlich studieren, für mich bedeutet das Spanisch lernen und von Tag zu Tag mehr Zeit auf dem nahe gelegenen Marktplatz
zuzubringen. Dort, auf dem “Mercado Abasto” arbeite ich mit einer Gruppe aus Spiritanern und
engagierten Freiwilligen aus der Nachbarschaft. Die Gruppe nennt sich Gotas de Amor (Tropfen der Liebe). Wir spielen mit den Kindern und lernen mit Ihnen, bzw. machen zusammen mit Ihnen Hausaufgaben. Außerdem wird mindestens einmal die Woche Mittagessen ausgeteilt.

Seit drei Wochen besuche ich samstags morgens mit Francisco, einem der Seminaristen, eine Familie mit 8 Kindern, die hinter dem Markt in einer Wellblechhütte lebt. Der Vater baut Holzkisten zusammen, die er dann an die Händler auf dem Markt verkauft. Mit den Kindern lernen wir rechnen und schreiben.

Ich lerne immer mit der 7jährigen Hermelinda. Sie soll als Hausaufgabe eigentlich bereits Sätze und einfache Diktate schreiben. Aber dazu sind wir bisher nicht gekommen, weil Hermelinda überhaupt noch nicht schreiben kann. In der Schule sind die Klassen sehr groß und viele lernen nie richtig lesen und schreiben. Francisco hat mir erzählt, dass er selbst die Schule beendet hat, ohne ein Buch lesen zu können. Deswegen lerne ich mit Hermelinda die Bedeutung von Buchstaben und Zahlen. Sie schreibt zum Beispiel eine ganze Zeile nur “4” und soll dabei möglichst oft die Zahl
vier aussprechen. Zusätzlich übe ich mit ihr das zählen mit den Fingern. Nach dem Lernen spielen wir natürlich auch noch ein wenig. Die Kinder besitzen hervorragende Drachen, die sie aus Schnur, Stöcken und Plastikfolie selber bauen. Die lassen wir dann gemeinsam auf einer freien Fläche hinter dem Markt steigen.

So vergehen meine Tage bisher wie im Fluge und an jedem einzelnen davon erlebe ich etwas Neues hier, in dieser für mich noch kleinen Welt in der großen Stadt.

Beste Grüße aus dem Dschungel
Jan

Samstag, 21. Juni 2008

Vorwort

Liebe Leser und Leserinnen dieses Blogs,
in diesem Blog werde ich ueber Begebenheiten aus meinem Auslandsjahr erzaehlen und versuchen meine Erfahrungen anschaulicher zu machen.
Ihr koennt:
-meine Rundbriefe nachlesen und herunterladen
-Fakten ueber Paraguay erfahren
-Fotos anschauen
und
-Informationen ueber Freiwilligendienste und andere Freiwillige finden

Hiermit erstmal genug der Vorrede

Liebe Grüße

Jan